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Zornröschen. Oder: Warum ein Synonym-Wörterbuch nicht immer hilft. Und was zu Schlager. Irgendwie.

 

"Zornröschen, schlaf doch bitte einfach wieder, denn so warst du mir viel lieber, dein Gemecker und Gezeter, verschieb bitte auf später!" Im 4/4-Takt zum Welterfolg. Vielleicht. Lieber "happy" oder "kuschlig"? Auf jeden Fall mit Bier und Fachliteratur.

 

Heute Nacht, da hab ich echt gelitten,

wir haben uns zum ersten Mal

so richtig hart gestritten.

Ich weiß nicht mal wieso,

aber das ... war echt oho!

Statt in deinen Armen,

schlief ich auf der Couch,

grad wirst du wach und - ouch!

 

Zornröschen, schlaf doch bitte einfach wieder, denn so warst du mir viel lieber,

dein Gemecker und Gezeter, verschieb bitte auf später!

 

Noch vor dem ersten Kaffee,

pflaumst du mich bös an;

wie ich Vollversager

bloß unsren Jahrestag vergessen kann.

Klar, wir ham andre Sorgen,

aber, hey, Zornröschen:

Unser Jahrestag ist morgen!

 

Zornröschen, schlaf doch bitte einfach wieder, denn so warst du mir viel lieber,

dein Gemecker und Gezeter, verschieb bitte auf später!

 

Du schaust mich an

und kannst es gar nicht fassen,

hast echt gedacht, ich würde das verpassen.

Ich schmoll zum Spaß, du steigst drauf ein,

hey, come on,

lass uns kuschlig sein!

 

Zornröschen, sei nicht böse,

lass mal Fünfe gerade sein,

ich lieb dich über alles,

ich bin für immer dein!

 

 

 

Jetzt dreht sie durch!

 

Na, nicht ganz. Erstmal hab ich mich ein bisschen im Kreis gedreht. Daher: Zurück zum letzten Punkt, an dem ich noch wusste, worum es ging.

 

Strophe drei, Vers sechs. »Lass uns kuschlig sein!«

 

Ursprünglich stand dort »happy«. Lass uns happy sein! Nach dem ebenfalls englischen »come on!« nicht überraschend, aber seit Pharell Williams’ »Happy« nun mal auch nicht gerade besonders positiv konnotiert. (Ich verweise ausdrücklich auf diese geniale Song-Besprechung von MusikTraining.)

 

Und klingt, schlecht gesungen, schnell nach Häpp-chen. 

Kuschlig ist jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ... Worum geht es eigentlich?

 

Was soll der Unfug?

 

Uff. Ähm. Ja. Ursprünglich, also ganz am Anfang stehend, basiert dieses intelligenzverachtende Machwerk von Gedicht auf Zitaten aus der Eschberg-Reihe. Ja, ich weiß. Habt ihr alle nicht gelesen, weil Liebesromane und schnulzig und kitschig und überhaupt. Selber schuld!

Kommen wir zurück zu Zornröschen.

 

Eine meiner herzallerliebsten Romanfiguren äußert sich in Band 3 wie folgt: 

»Bingo. Der Müll ist von mir. Sonnenlicht und Zornröschen, interpretiert von Schlagerstar Jonas Jackerath stammen ebenso aus meiner Feder wie Schmerzhaft und Liebesschwur um Mitternacht, die die fantastische Emily Field singt. [...] In Heidelberg gab es einmal monatlich einen Poetry-Slam. Ein Freund von Marcus hat ihn moderiert und als Thema ›Schlager‹ vorgegeben. Ein fröhliches Gelächter ging durch das Publikum, aber keiner hat sich getraut. Ich war leider ein bisschen sehr angeheitert und habe mich von Marcus’ Freund auf die Bühne holen lassen. An diesem Abend sind die ersten Zeilen von Zornröschen entstanden. Ich war zu betrunken, um ›Dornröschen‹ zu sagen![...]«

 

In diesem kleinen, zuckerwattigen Paralleluniversum namens Eschberg kennt den Song jeder. Quasi das »Atemlos« der Schwarzschen Milliodärsverwurstungsmaschinerie. In Band 4 buddelt der strauchelnde Protagonist das im Grabenkampf um die Angebetete dummerweise aus. In der Lagebesprechung fragt ihn die ›Generälin‹, was er ausgefressen hat. [...] »Das kann man nicht mehr toppen ... Eigentlich. Also, was hast du gemacht?« 

»Als sie weggelaufen ist, hab ich ihr hinterhergerufen ›Hau doch ab, Zornröschen!‹ Ich weiß nur nicht, wie viel sie davon gehört hat.«

»Was du im Ballsaal zu ihr gesagt hast, war mit das dämlichste, das mir je zu Ohren gekommen ist. Mein Mann hat sich ja auch schon mal im Ton vergriffen, aber gegen dich ist er ja ein Waisenknabe ...« 

 

In Band 6 bekommen die Anspielungen auf dieses ominöse Machwerk ihren Höhepunkt (ha-ha, sie hat Höhepunkt gesagt!) und es wird erstmals komplett in einem Buch veröffentlicht. In welchem Kontext genau verrate ich noch nicht. Ich hab ein bescheidenes Interesse daran, dass vielleicht doch jemand neugierig genug ist, sich das Buch 2022 zu kaufen. Oder Band 5, der jetzt bald erscheint.

 

Wo will ich dann mit diesem Blogartikel hin?

 

In die Hitparade.

 

Nee. Quatsch. Von mir aus zwar auch das und ich sag auch nicht nein, wenn Dieter Bohlen den Song grenzgenial findet, aber worauf ich hinauswill ist ein Mimimi.

 

Schriftstellerisches Leiden. 

 

Warum?

 

Nun. Ich feile in der Regel ein Weilchen an den Worten und Sätzen, Absätzen, Kapiteln und Büchern sowie Blogbeiträgen, die ich euch zukommen lasse. Und so stand in der Rohversion dieses Liedes zunächst halt »Lass uns happy sein!«. 

 

Ich weiß, ich weiß, das Teil ist gruselig. In meinem Kopf ist es klassischer 4/4-Takt, drei, vier Akkorde ... Schritt, Schritt, Tipp ... Quasi Three Count Hustle at its worst. Nix gegen Gesellschaftstänze und den Pur-Megamix [Heiße Haut als Himmelbett ... autsch], Hunderttausendmal mitgemacht, aber als Dinslakenerin muss ich eine gewisse Ehre verteidigen.

 

(Wehe einer von euch verrät mich! Ja, du! Du weißt genau, wovon ich rede!)

 

Lassen wir mal Menschen außen vor, denen der Aluhut zu eng geschnürt wurde und widmen wir uns einem Musikgenre, dem ich wenig abgewinnen kann, aber ihm trotzdem ehrfürchtig nickend gegenüberstehe: dem Schlager. Meinetwegen präzisiert in Pop-Schlager. 

Über die Geschichte dessen dürft ihr euch gern selbst belesen, über meine persönliche Liaison will vermutlich auch keiner so genau Bescheid wissen.

Ich nenne nur Meilensteine: Marianne Rosenberg und Die Flippers (danke, Papa), Christian Franke und Jörg Bausch (danke, liebster Cousin, dessen Namen ich lieber nicht nenne) und schlussendlich: the Goddess of cheesy pop, Helene Fischer. Vielleicht ist es auch Kerstin Ott. Irgendwer dazwischen halt. (Danke, Radio und Schützenfeste.)

 

Man kommt halt nicht drumherum. Schon gar nicht, wenn man zeitweise auf dem Land lebt und der Freiwilligen Feuerwehr angehört.

 

Was das jetzt mit einem Synonym-Wörterbuch und der Eschberg-Reihe zu tun hat?

 

Der Kreis schließt sich gleich. Moment.

 

Also: Meine Protagonistin ist Schlager-Komponistin und -texterin. Eigentlich wollte ich ihr gar keine ganzen Songs in den Mund legen, aber es ergab sich halt so. (Diese Stimmen, ihr wisst schon.)

 

Der Songtext sollte sich dann halt auch nach Schlager anhören, aber keine Kopie eines bekannten Lieds werden. Und da die Protagonistin nun mal damit kokettiert, dass sie mit ganz fürchterlichen Dingen fürchterlich viel Geld verdient, sollte es eben ein wenig dafür sorgen, dass man sich beim Lesen fremdschämt.

 

Geht auf mein’ Nacken!

 

Zunächst stand da also »happy«.

 

Wir haben es gleich, keine Sorge.

 

Happy fand ich aber, wie oben beschrieben, zu plump. »Glücklich« wäre in der Übersetzung zu einfach gewesen, fröhlich passte nicht zur Situation. Also: Synonym-Wörterbuch her. Steht ja eh griffbereit neben der Literdose Faxe Red Erik. 

Und was schlägt es so vor, wenn man nach glücklich sucht?

 

frisch fröhlich glücklich aufgelegt freundlich lustig aufgeschlossen freudig sonnig beflügelt aufgeweckt happy ...

 

Na, schönen Dank auch.

 

Davon passt irgendwie nix. 

 

Und so besann ich mich auf das, worauf ich mich eigentlich nicht besinnen wollte, weil das Lied bis dahin nicht mal eine hatte: die Kernaussage.

Das lyrische Ich will sich ja mit dem lyrischen Du versöhnen. Worauf spekuliert es also? Ja, richtig. Ficken. Aber das passte jetzt vom Jargon her auch nur mäßig und grammatikalisch erst recht nicht. Ich suchte schließlich nach einem Adjektiv, nicht nach einem Verb. 

 

 

Wer ficken will, muss freundlich sein.

 

Lass uns freundlich sein? Nee. Da hätte ich ja gleich schreiben können: »Lass uns froh und munter sein.« Das mit dem Nikolaus und dem dicken Sack und der Rute hätte aber eine weitere Strophe nach sich gezogen und ich fand derer drei schon grenzwertig. Also: Was zur Hölle wollen wir sein? 

 

»Süß und knuddlig« ist den Pinguinen aus Madagascar vorbehalten. »Frisch, fromm, fröhlich, frei« gehört zu Pepe Nietnagel wie »vergügt und froh« zu den Sieben Zwergen. Äh, ja. Wie ich schlussendlich auf »kuschlig« kam, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Mein Mann saß neben mir am Schreibtisch und sang was von »Fixe, fixe Faxe«, wobei das »x« sich eher wie »ck ’s« anhörte und ... ja, lest es ruhig noch mal mit dieser Betonung, ich warte so lange ...

 

Danach war das mit dem »kuschlig« einfach da. Hört sich auch scheiße an, ist aber jugendfrei und ich hatte den Text endlich fertig. Ob er dann in Band 6 auch so bleibt, hängt vom Lektorat ab. Und von Dieter Bohlen. 

 

Ich erwarte natürlich keinerlei Applaus für dieses Lesestück, aber ihr müsst den Salat und die Tomaten jetzt auch nicht werfen, sofern man das noch essen kann. Foodsharing gibt es sicherlich auch in eurer Nähe!

 

 

Empfehle mich zu Einstandspreisen. Bis neulich!

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