Nein, Frau Schwarz hat jetzt echt „ficken“ geschrieben? Es geht bergab mit ihr.
Larissa, Sex sells, aber so nicht, Frollein!
Nicht? Na gut, erwischt. Ihr wisst, dass ich eine Freundin klarer Worte bin und die Dinge gern beim Namen nenne, daher heute eine kleine Aufklärungsstunde, warum ich manche Begriffe meide wie der Teufel das Weihwasser.
Machen wir zunächst aber eine kurze Zeitreise, auf der ihr euch mit Panoramablick aus sicherer Entfernung anschauen könnt, wie Larissa jemanden mit dem Duden durch St. Moritz jagt.
Es begab sich zu Anfang des Jahres 2017, dass Larissas Freund Henning, der bis zu diesem Zeitpunkt noch „nur ein Freund“ war, das Manuskript zu „Schmerzhaft – Solveig“ las. Im Snowboardurlaub mit gemeinsamen Freunden. Und natürlich Aufmerksamkeit auf sich zog. Einerseits, weil er als Mann einen Liebesroman las, andererseits, weil die anderen „schlüpfrige Inhalte“ vermuteten, da er hin und wieder wie ein Backfisch kicherte.
So kam es zu folgender Unterhaltung, als sich Freund Till wahllos eine Seite aus dem Manuskript griff, welches offen auf dem Tisch lag:
Till: Ey, die ficken ja in deinen Büchern!
Larissa: Grandiose Wortwahl für einen approbierten Arzt. Aber ja, die von mir erschaffenen Charaktere haben Sex.
Till: Ist doch egal, wie man es nennt, die treiben es miteinander.
Larissa: Na ja, es kommt schon sehr darauf an, wie du es nennst – dadurch wird doch die Absicht erst klar.
Till: Die Absicht ist doch immer dieselbe! Im wahren Leben: Spaß haben, als Autor: Geld verdienen.
Larissa: Puuuh, ja. Grundsätzlich nicht verkehrt. Aber stell dir mal vor: Man kann an beides gewisse Ansprüche stellen.
Till: Für hohe Ansprüche ist Henning zuständig. [ruft ihn laut dazu]
Henning [sieht nur, dass Till das Manuskript in der Hand hat]: Oh, auch auf den Geschmack gekommen?
Till [blendet seine Frage völlig aus]: Ficken die oder haben die sich lieb?
Henning: Ähm, die lieben sich. Physisch und emotional.
Larissa bietet ihm ein High Five und Henning schlägt ein.
Till: Okay, anders gefragt: Ist es dem Leser nicht egal, ob da ficken oder Sex haben steht? Es ist und bleibt derselbe Akt. Wenn man sowas liest bzw. an Larissas Stelle eben schreibt, dann hat man das doch bildlich vor Augen – macht es da einen Unterschied, wie man das Kind nennt?
Henning: Ja.
Till guckt verwundert. Larissa lacht. Till wird klar, dass er eine geschlossene Frage gestellt hat.
Till: Welchen Unterschied macht es?
Larissa: Den, welches Gefühl ich erzeugen will.
So, den Rest der Unterhaltung fasse ich euch brav zusammen.
Es hat seinen Grund, warum durchaus zwischen Liebesromanen, erotischer Literatur und Pornos unterschieden wird. Die Grenzen sind hin und wieder fließend, aber die des guten Geschmacks schnell erreicht. Explizit heißt nicht automatisch obszön, blumig nicht in jedem Fall treffend.
Wie kann man da jetzt angenehm anders als alle anderen auffallen? Vor allem, wenn man zwar weiß, dass das Wort Penis aus dem Lateinischen kommt und „Schwanz“ bedeutet, man aber dieses Wort nicht für das männliche Fortpflanzungsorgan benutzen möchte? Insbesondere, da dann der Weg zu „nasse Muschi“ (und damit meine ich ausnahmsweise echt nicht Audrey) und „Bohrhammer“ (auch hier sind wir nicht im Baumarkt …) sehr kurz ist.
Gute Frage. Der Anspruch an eine Sexszene ist, dass sie sich in den Sprachduktus des Buches fügt, nicht lieblos in den Plot gepfercht wurde, um – ja, um des Kopulierens willen. Dass die Fantasie des Lesers angeregt, aber er nicht in der Manier eines Pornos mit Bildern und Lauten überhäuft wird. Punktum: Es geht darum, geschmackvoll zu sein und zu bleiben. Wer auf Dirty Talk steht, darf ihn sich gern denken oder woanders holen, mir sträuben sich bei „Mach’s mir!“ die Nackenhaare. „Mach dir dein Pausenbrot bitte selbst.“
Für unfreiwillige Komik sorgen bei mir persönlich ja Sätze wie „Seinen Lingam dippte er in ihre Yoni.“ Nein, da isst niemand ein veganes Gericht, da haben zwei Menschen Sex. Glaub ich. Ich muss da nur lachen.
Neulich wurde ich gefragt, was mich wirklich gruselt. Dummerweise habe ich erst danach festgestellt, dass es meistens Worte sind. Beispiele gefällig? „Fleischwurst“ (nein, nicht, die vom Metzger), „Lustgrotte“ (auch hier haben wir es nicht mit einer Bötchenfahrt zu tun) und „eindringen“ (hier fällt mir gar nichts Lustiges zu ein …). Gerade Letzteres ist mir ein absoluter Gräuel. Wieso? Verwendet man doch so. „Er drang in sie ein.“ Normalster Satz der Welt in Liebesromanen.
Vorsicht, Frau Schwarz moralapostelt und klugscheißt jetzt! Man nehme sich ein Wörterbuch zur Hand. Lese aufmerksam den Eintrag zu „eindringen“. Und stellt fest, dass eine unumgängliche Konnotation dieses Begriffs „Gewalt“ ist. Nicht immer. Nicht zwangsläufig. Aber tendenziell.
Grundsätzlich überlese ich das in Büchern inzwischen, wenn der Rest mir gefällt. Drängt sich mir allerdings der Eindruck auf, dass hier Prinzipien verschoben werden, lege ich ein Buch auch einfach mal gern weg. Ganz weit. In den nächsten Bücherschrank oder so.
Drifte ich gerade ab? Sorry. Kommen wir zurück zum Ficken. Ich benutze dieses Wort heute übrigens absichtlich inflationär, da ich es sonst quasi nie gebrauche. Ihr bekommt also gratis meinen Jahresvorrat an Ficken!
Der Duden kennzeichnet das Wort übrigens ausdrücklich als vulgär, er stellt aber freundlicherweise auch ganz wundervolle Synonyme zur Verfügung, mit denen man ganz zauberhafte Sexszenen schreiben kann. [Ich muss übrigens gerade lachen, weil „ficken“ ein schwaches Verb ist. Sagt doch alles, oder? … Wobei „eindringen“ ist ein starkes Verb … Herrje … Deswegen hat es sich wohl durchgesetzt.]
Kurzum: Im Hause Schwarz – nein, falsch. In meinen Büchern wird nicht gefickt und da stößt auch keiner seinen geilen Rammbock in die triefend nasse Höhle [bitte kurz bildlich vorstellen]. Weil ich nicht so rede. Weil ich diese Bilder absurd finde. Weil meine Protagonisten nicht so sind.
Und stellt euch vor: Sie haben trotzdem Spaß. Und Sex. Und er gefällt. Ihnen. Mir. Meinen Lesern.
By the way: Natürlich probiert man als Autor immer alles aus, worüber man dann später schreibt. Stephen King hat reihenweise Menschen umgebracht, Karl May hat jahrzehntelang unter Cowboys und Indianern gelebt (heute sind wir mal politisch unkorrekt und sagen nicht „Mitglieder der indigenen Völker Amerikas“) und Douglas Adams hat mehrfach das Weltall bereist. Daher klingt das bei den Herren auch so authentisch und erzeugt hervorragende Bilder im Kopf.
Und bevor ihr fragt: Natürlich hat auch jede Liebesromanautorin jede Sexpraktik, die in ihren Büchern vorkommt, genauso erlebt und mehrfach durchexerziert.
Lasst das Bild einfach noch einen Moment wirken.
Den losen Faden mit dem Anspruch wickle ich euch natürlich auch noch schnell auf. Mein Anspruch an das, was ich schreibe ist Folgender:
Ich möchte es laut vorlesen können.
[Geneigte Leser und Follower meines privaten Facebook-Profils wissen, dass ich gerade die Diskussion mit meiner Mutter hatte, ob ich denn bei meiner Lesung aus Tiffany auch die Sexszenen einbaue. Ich bin da noch unschlüssig. Nicht, weil ich mich damit unwohl fühle. Sondern weil ich nicht weiß, ob meine Eltern zur Lesung kommen. Weil: hallo? Es ist meine MUTTER! Ich weiß, dass mich nicht der Storch gebracht hat. Aber es gibt – und das habe ich ja gerade ausführlichst dargelegt – Bilder, die ich nicht in meinem oder ihrem Kopf wissen will. Und vor allem möchte ich kein backfischhaftes Kichern meiner Verwandtschaft hören. Reicht, wenn mein Freund bei Probelesungen gibbelt wie eine Siebtklässlerin, die gerade „Penis“ sagen muss.]
Ach so, manchmal lesen meine lieben Protagonisten im Bett auch einfach nur. Hin und wieder machen sie eine Kissenschlacht. Oder, stellt euch vor, völlig absurd: Sie schlafen. Sabbern ein bisschen ins Kopfkissen. Und sehen dabei niedlich aus.
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Vero Havre (Dienstag, 25 Juli 2017 12:15)
As always: Wunderbar geschrieben.
Nadine Escher (Dienstag, 25 Juli 2017 12:17)
Hallo Larissa,
super geschrieben, danke.
LG Nadine
Kati (Dienstag, 25 Juli 2017 12:30)
Oje ich denke es sollte stilistisch passen.....ich hab mittlerweile schon so ein paar Bücher gelesen und die meisten hochgelobten sind für mich oft billige Pornos die weder Phantasie,dafür aber nahe am Brechreiz sind.
Aber vorlesen kann man auch Sexscenen im Buch...sogar mit dem Wort ficken...es sollte zum gesamten Bild passen und nicht eine Anreihung von "er fickt Sie,sie fickt ihn und alle ficken" es gab mal ein aufsehenerregendes Buch welches ausschliesslich auf diesen Wortschatz zurückgreift hatte was mit Sumpf und so zu tun....diese Art des Schreibens macht mir definitiv Vomitus...oder um es deutlich zu machen bunte mich zum Erbrechen;-).
Bücherheike (Dienstag, 25 Juli 2017 13:27)
Diese Bilder Larissa. Ich habe mir gerade eine große feuchte Felsenhöhle forgestellt, in die jemand einen Rambock...
Kopfkino...
Larissa (Dienstag, 25 Juli 2017 16:07)
Vielen Dank, ihr Lieben!
Ich hab noch nicht raus, ob und wie ich schnell und einfach auf eure Kommentare antworten kann, aber ich danke euch sehr dafür ❤️
Liebe Grüße,
Larissa
Gabriela Janotta-Knop (Dienstag, 25 Juli 2017 20:53)
Herrlich! Und Du hast so recht! Es macht einen großen Unterschied, wie ich das Kind nenne. Apropos Kind, kennt Omma den Beitrag schon? �
Larissa (Dienstag, 25 Juli 2017 21:34)
@Gabriele: Neiiiiiiin ... und ich weiß auch nicht, ob das möchte *lach*
Katharina Münz (Mittwoch, 26 Juli 2017 13:06)
Wie angekündigt, mit eigenen Gedanken versehen und rebloggt:
https://katharinamunz.wordpress.com/2017/07/26/ficken-vs-liebe-machen-der-unterschied-zwischen-erotik-und-billiger-pornografie/
Herzlichst,
Katharina
Larissa (Mittwoch, 26 Juli 2017 13:11)
Danke, liebe Katharina <3
Marko Holtwick (Donnerstag, 27 Juli 2017 12:09)
Liebste Larissa,
Karl May hat seine Bücher im Knast geschrieben und war nie im Wilden Westen und hat nie unter Indianern gelebt.. (Klugscheißer Modus aus)
Wenn Sex in Büchern notwendig ist, dann ist das so..
Mir fallen zum Penis genug Synonyme ein.. Ebenfalls zur "Lustgrotte" �