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Jetzt sag’ doch mal: Für wen arbeitest du wirklich?

Eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird, ist: Für wen arbeitest du wirklich?

Früher habe ich das entweder wahrheitsgemäß mit „für die Deutsche Bank“ beantwortet, gar nicht oder mit „für den Fiskus“. Seit drei Jahren bin ich ausschließlich freiberuflich tätig und könnte die Frage daher eigentlich mit „für mich“ beantworten. „Und für den Oldtimer.“

 

 

 

 

 

Eigentlich geht es auch niemanden was an


Wie ich bereits in einem früheren Artikel erklärt habe, kann ich zwar nachvollziehen, dass es interessant erscheint, zu erfahren, wie viel man als Künstlerin so verdient, aber außer meine Steuerberaterin und das Finanzamt geht das niemanden was an. Nach wie vor liege ich niemandem auf der Tasche, und habe mich auch nicht „gesundgeheiratet“, wie mir auch schon häufiger unterstellt wurde. [Stellt euch hier einen auch vor Lachen krümmenden Henning und mich augenrollend vor.]

Ich weiß aber, dass das nicht die Intention hinter der Frage ist. 

Gretchenfrage, die Zweite


„Für wen arbeitest du?“ fragt nach der Lobby, Partei oder Interessengemeinschaft, der ich nahestehe.

Man sieht mich mal mit einem Stadtverordneten der Grünen fröhlich in der Stadt plaudern, liest wohlwollenden, offenen Gedankenaustausch zwischen mir und einem FDPler, ich kuschle mal mit DIE PARTEI. Mal lobe ich die SPD, dann klinke mich in eine öffentliche Zoom-Konferenz der CDU ein oder applaudiere einem Statement der Linken. 
(Sollte mich jemals jemand in der Nähe der AfD sehen: Ruft die Polizei, ich wurde gebrainwasht.)


Mal finde ich unser Stadtoberhaupt grandios, mal möchte ich am liebsten schreiend durch den Stadtpark rennen. 
Mit der AWG hatte ich bisher die wenigsten Berührungspunkte und mit der UBV streite ich mich zwar gerne, aber wir kommen irgendwie nicht auf einen gemeinsamen Nenner. 

Aber wem fühle ich mich besonders nahe bzw. wem habe mich verpflichtet?

Tja ...

 

Ich fragte vor anderthalb Wochen mal in die Runde, „wer mich haben will“.
Glücklicherweise kam eine ganz spannende, lebhafte Diskussion zustande und unqualifizierte Angebote blieben aus. 

Das Ding versumpfte dann aber innerhalb von zwei Tagen. 

Falls es bis hierhin noch nicht klar war: Ich gehöre keiner Partei an und habe meine Fühler zwar in fast alle Richtungen ausgestreckt, finde für mich jedoch keine passende Bleibe. 

Keiner will mit mir spielen!

 

Na ja, ich bin halt auch nicht das Schmusekätzchen mit Schleifchen im Haar, sondern eher die Hyäne – aber berechenbar und angepasst ist eben irgendwie langweilig. 


Man kann mir jetzt vorwerfen, ich würde mein Fähnchen mit dem Wind drehen. Wer genauer hinsieht, erkennt aber, dass ich durchaus unterscheide, bis wohin ich einen Kompromiss eingehe oder mich überhaupt nicht assimilieren kann. Oder im "schlimmsten" Fall zwei Meinungen zu einer Sache habe. Oder gar keine.

 

 

 

Demokratie kann ohne Kompromisse nicht leben


So oder so ähnlich lernte ich es im Studium. Natürlich kann die Demokratie als Form einer Gesellschaft ohne Kompromisse auskommen. Die Mehrheit entscheidet. Ja oder nein. Schwarz oder Weiß. [Pun intended.]

 

Die Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft haben nur wenig andere Möglichkeiten, als eine Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren. Sie wird jedoch umso akzeptierter und tragbarer, je mehr Menschen sich an ihrer Findung beteiligt haben. Insofern war meine Absicht, mich einer Partei anzuschließen, durchaus ernst gemeint. Denn allein auf weiter Flur kann ich zwar bombastische Ideen und Ansichten haben, die eventuell sogar ganz viele Menschen mit mir teilen würden, aber ohne ein Netzwerk im Rücken, freudige Diskutanten und bestimmte Plattformen, wird es schwer gehört zu werden.

 

Nicht, dass es mich stört, hier mal mehr, mal weniger Leser zu haben. In den meisten Fällen findet die Diskussion dann eh über andere Kanäle statt. Aber es hätte ja zu einer Win-win-Situation kommen können. Demokratie lebt vom Mitgestalten.

 

Und?

 

Nix, und. Ich bin auch nicht böse drum, dass ich aktuell keine politische Homebase habe. Für die Arbeit im Rahmen der Active Citizens wäre das eventuell eh kontraproduktiv und ich kann mich ja hier mit euch austoben.

 

 

Ich schreibe also nach wie vor für niemand anderes als mich selbst und alle, die es interessiert bzw. interessieren könnte. Finanziert wird diese Unabhängigkeit (der Blog, der Zoom-Account, die Lektüre und die Zeit) durch meine Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit.

Ich verzichte übrigens auch bewusst auf "Patreon" oder "Buy me a coffee"; das hätte irgendwie einen seltsamen Beigeschmack.  

 

 

Believe it or not: Es gibt eine Schnittmenge zwischen den Menschen, die meine Bücher lesen und Bilder kaufen mit denen, mit denen ich im Rahmen meines "politischen Engagements" zu tun habe. Aber diese Schnittmenge ist ebenso heterogen wie die politische Landschaft meiner Heimatstadt. Und alle haben es bisher geschafft, Politisches, Privates und Geschäftliches voneinander zu trennen. 

 

Schön.

 

Ja. Find ich auch!

Und jetzt muss ich los, Kaffee kochen. Und eine Aspirin einschmeißen, weil der Kopf vom vielen "auf die Tischplatte dotzen, weil ich mal wieder kaum glauben kann, was ich gerade im Lokalteil lese" ziemlich Aua macht.

 

Bis neulich! 

 

 

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