Mit dem Starlight-Express in die Rezensionswüste – von Lust und Leid in Leserunden

 

„Himmel, die knöpft sich aber auch alles vor!“ – Könnte man jetzt denken. Und Bingo! Natürlich gebe ich auch in puncto Leserunden und Wanderbücher meinen Senf dazu. Soll ja keiner verschont bleiben.

 

Grundlegend sind das zwei verschiedene Paar Schuhe, schon klar. Letztlich geht es aber wie immer um das eine: die Schlacht am kalten Buffet der Rezensionsexemplare. „All you can read“ wird hier schnell zu  „All you can stapel” (ich weiß, dass das englische Wort dafür „to pile” heißt, aber es klingt so nett).

 

Der Autor an sich ist ein reiches, großzügiges Wesen, das seine eigenen Bücher im Überfluss besitzt und diesen Missstand gern behebt, indem er sie ausgibt. Einfach so. Um anderen eine Freude zu machen. In der Regel legt er noch ein Lesezeichen dazu oder andere, nette Kleinigkeiten. Davon hat er nämlich auch mehr als genug. Schleifchen drum. Ab damit zur Post. Aus den Augen, aus dem Sinn.

 

Ähm – sorry, da ist ein Hauch zu viel Zynismus an den heißen Brei gekommen.

 

Nur um das an dieser Stelle unmissverständlich auszudrücken: verlost ein Autor seine Bücher, darf er dafür keine Gegenleistung erwarten, geschweige denn verlangen. Verschenkt er sie ohne Auflagen, dann ebenfalls nicht. Die Vergabe eines Rezensionsexemplares ist aber nichts weiter als ein Tausch. Buch gegen Feedback bzw. Review.

 

Um an dieses zu gelangen, sucht er auf geeigneten Plattformen nach Lesern, die diesen Tauschhandel eingehen möchten. Einige regeln das vertraglich, andere legen einen Ehrenkodex auf, in Einzelfällen sind es Einzelabsprachen. Das Thema hatten wir ja schon, ihr erinnert euch an die Anemone?

 

Eine Leserunde, zum Beispiel auf Lovelybooks, ist die digitale Form des Buchclubs, den es zu Ommas Zeiten schon gegeben hat. (Wer meine Omma noch nicht kennt, scrollt sich bitte durch meine Facebook-Chronik.) Da sitzen dann Erna und Ilse, haben dasselbe Buch gelesen und unterhalten sich darüber. Meistens beginnen sie mit Sätzen wie: „Ich bin gut in die Geschichte reingekommen!“ oder: „Die Charaktere waren mir sofort sympathisch!“

 

„Larissa, komm mal bitte ins Hier und Jetzt!“

 

Oh, sorry, schon wieder der böse Zynismus. Fakt ist: In den Leserunden wird sich selten bis gar nicht über das Buch unterhalten, sondern hauptsächlich nacherzählt, was im jeweiligen Abschnitt passiert ist. Nach drei Leserunden zu unterschiedlichen Büchern ist das zumindest mein vorläufiges Fazit, egal, ob es eine Moderation gab oder nicht. Warum dann überhaupt eine Leserunde veranstalten? Weil die Plattform Angebot und Nachfrage regelt und man schnell und einfach an Leser kommt. Und im Großteil der Fälle auch an Feedback.

 

Das liest sich dann hin und wieder skurril. „Die Figuren handeln glaubhaft“ heißt es dann in Abschnitt eins, in Nummer zwei folgt dann „Ich verstehe die Figur XY so gar nicht, warum tut sie das?“. Auch witzig: „Ich finde die Geschichte fesselnd und kann kaum aufhören zu lesen“ und per privater Nachricht dann „Hey, sorry, aber ich breche ab, die Story packt mich nicht.“ In der Zwischenzeit sind durch besagten Leser weitere vier Leserunden bei Verlagen gewonnen worden, da ist wohl wenig Platz für 500 Seiten einer Indie-Autorin (geht im Übrigen nicht nur mir so!). Immer noch besser als diejenigen, die nur das Buch  „abstauben“ und sich dann gar nicht mehr melden.

 

Als noch unbekannterer Autor muss man übrigens ganz schön viel für sein Werk trommeln, um überhaupt in der Masse der angebotenen Leserunden wahrgenommen zu werden. Auch wenn grundlegendes Interesse bei Lesern da ist, man muss sie sich in der Regel selbst zusammensuchen. Sofern man das nicht professionell von Lovelybooks machen lassen möchte, was für eine Leserunde gut und gerne 2.500 Euro kostet. Nebenbei erwähnt. Dürft ihr jetzt sacken lassen.

 

Eine andere Möglichkeit, sein Buch an den Leser zu bringen, sind Wanderbuchgruppen, die in den sozialen Netzwerken zu finden sind. Ist der erste Leser fertig, rezensiert er das Buch und schickt er es an den nächsten. Von den Büchern meiner Kollegen, die auf dem Postweg oder dorthin verloren gegangen sind, will ich jetzt gar nicht erst anfangen, das ist ein abendfüllendes Thema.  Grau ist alle Theorie und inzwischen auch das ein oder andere Haar auf meinem Kopf – Märchenhaft ist seit August 2016 unterwegs und hat bisher drei Rezensionen auf diesem Wege gebracht. Hohui!

 

Ein anderes Buch liegt seit einem halben Jahr beim Gruppen-Admin du wurde bisher noch nicht in der Gruppe angekündigt.

Als Autor wird die persönliche Lieblingsfrage in dieser Sache ja irgendwann: warum. Warum bewerben sich potentielle Leser um ein Buch und lesen bzw. rezensieren es dann doch nicht? Warum nehmen sie anderen die Möglichkeit? Warum tu ich mir das an? Warum muss ich vereinbarten Rezensionen hinterherrennen? Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum – wer fragt, bleibt trotzdem dumm.

 

„Larissa, hast du dich mal gefragt, ob es nicht an dir liegt?“

 

Das frage ich mich tatsächlich. Sind meine Bücher nicht interessant genug, nicht gut genug? [An dieser Stelle ein dickes DANKE an die, die mir mit ihrem Feedback jeden Tag das Gegenteil vor Augen führen!]

Unhöflich wie ich bin, stelle ich als eine Art Gegenfrage in den Raum: Nennt mir irgendwas, das gegen die Endorphinausschüttung im Moment der Befriedigung der Gratis-Mentalität anstinken kann.

 

Versteht mich bitte richtig: Ich habe jederzeit Verständnis für die persönliche Situation der Menschen, die mir ihre Hilfe erst anbieten und dann durch andere Umstände vorläufig nicht dazu kommen. Aber erlaubt mit bitte die Fragen: Warum immer bei meinen Büchern und bei anderen Autoren klappt es reibungslos (selbe Gruppe, teilweise gleiche Leser)? Warum schickt man mir das Buch nicht zurück oder verlost es nach Rücksprache unter Interessenten, wenn einem das alles zu viel wird? Wieso muss ich anfragen, was jetzt mit dem Buch ist? Mehrfach. Und werde jedes Mal vertröstet? Wer sich hier wiedererkennt mag sich angeprangert fühlen, dabei möchte ich an dieser Stelle nur eine einzige Sache: zum Innehalten anregen. Wenn das nächste Mal ein Autor ein Buch zur Rezension kostenfrei anbietet.

Und falls ihr mal zugeschlagen und euren Teil des Deals nicht erfüllt habt –

 

Seid bitte einfach ehrlich und sagt: Ich habe es vergessen. Ich habe keine Zeit. Ich habe eine Leseflaute. Ich habe keine Lust. Ich habe abgebrochen. Ich fand das Buch scheiße.

 

Damit kann ich leben. Echt. Nicht gut und gern, aber ihr kennt meine Haare – das dicke Fell wächst an den Stellen schnell wieder nach, wo ich es mir in solchen Momenten aus Frust rausgerupft habe. Aber eigentlich möchte ich gern darauf verzichten, zwischendurch auszusehen wie ein Phönix in der Mauser.

 

„Ist ja gut, Larissa, wir haben es kapiert!“

 

Echt? Cool. Dann kann ich mich ja wieder ans Manuskript setzen. Und ein Buch veröffentlichen. Es wandern lassen und in Leserunden aussetzen. Bin ja experimentierfreudig und lass mich gern eines Besseren belehren. Ich gelobe: Ich benehme mich dann auch wieder wie eine Dreiunddreißigjährige und nicht mehr wie mit drei in der Warum-Phase.

 

„Wenn du dann jetzt endlich aufhörst zu jammern?“

 

Würde ich ja gern. Wirklich. Denn eigentlich ist das nicht meine Art. Genauso wenig wie mich marktschreierisch anzupreisen. Mit inkasso-verdächtigen Maßnahmen auf versprochenen Rezensionen zu beharren. Stockfotos zu verwenden. Seiten zu liken, in der Hoffnung, ein Gegenlike zu bekommen. Ihr kennt mich. Das mach ich nicht. Ist nicht mein Ding. Also lasst mich wenigstens ein bisschen jammern. Bin auch gleich fertig.

Fertig.

Nun: Asche auf mein Haupt! Aus irgendwas muss der Phönix ja morgen wieder auferstehen …

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Heike (Freitag, 28 Juli 2017 13:27)

    Hallo Larissa.

    Erstmal, toller Beitrag und ich gebe dir recht. (in manchen Dingen) Ich gehöre auch zu den Rezensionslesern, ABER, wenn ich eine Rezension verspreche, gibt es auch eine. Manchmal kommt das real life dazwischen und es dauert etwas.

    Mir ist aber auch schon in einigen Gruppen aufgefallen, dass immer hinter denselben hinterhergefragt werden muss, dass Bücher verschwinden (in einigen Gruppen, in denen ich bin, muss das Buch mittlerweile bei Verlust ersetzt werden - klappt) oder man bei Nachfrage plötzlich keine Zeit zum lesen hat. Passiert. Da nehme ich mich nicht aus (also das mit der fehlenden Zeit).

    Ich verstehe auch die Autoren, die das nicht mehr machen. Aber Kopf hoch, es gibt auch Ausnahmen.

    Liebe Grüße

  • #2

    Andrea (Freitag, 28 Juli 2017 13:29)

    Sehr gut geschrieben Larissa und ich fühle mich nicht angesprochen. Ich hatte dir damals auch meine Gründe gesagt und daraus entstand unsere Freundschaft. Aber was du ansprichst, ist mir such dchon sufgefallen.....gerade das abstsuben und komischer Weisse sind es diejenigen, die auch immer wieder Glück haben.

  • #3

    Larissa (Freitag, 28 Juli 2017 17:28)

    Liebe Heike, liebe Andrea,

    ich wünsche mir mehr von euch.
    Mir selbst geht es in einigen Dingen nicht anders, es rücken teilweise wichtigere oder dringendere, spannendere oder manchmal einfach auch nur schönere Dinge in den Fokus und das Buch, das gerade noch so habenswert erschien, wird nebensächlich. Und dass ein schlechtes Gewissen nicht gerade Motivator für eine "Sorry, kein Bock"-Mail ist, kann ich nachvollziehen.
    Deswegen bin ich umso erleichterter, wenn Rezensionen geschrieben werden, es zu einer Weiterempfehlung kommt und das einzige Fell, das irgendwie in Mitleidenschaft gezogen wird, Audreys ist, weil ich Zeit und Muße habe, sie ordentlich zu kämmen. (Keine Sorge, sie verwahrlost sonst nicht, das macht dann Henning.)

    Fühlt euch gedrückt,
    Larissa