Blogger sind Freunde, kein Fressen – Anleitung zu artgerechter Aufzucht und Haltung eines Buchsuchtis

Liebe Verlage, ihr dürft jetzt mal abschalten. Oder Bildungsurlaub in diesem Artikel machen. Wie ihr wollt. Vornehmlich hängen diesmal Selfpublisher und Blogger an der Zielscheibe. In der leisen Hoffnung, dass sie sich bereits vom letzten Beitrag erholt haben.
Frei nach dem Motto „Notizen, die die Welt nicht braucht“ musste aus dem Sturm im Hirn ein Artikel werden, damit da oben wieder ein bisschen Defragmentierung möglich ist.
Vorab: Ich liebe (Buch-)Blogger. Ganz viele. Sie haben großartige Seiten, menschliche wie elektronische. Und sie haben die wundervolle Angewohnheit, über Autoren, Bücher, Buchzeugs und das Schreiben zu schreiben. Oder ein Video darüber zu drehen. Und dieses dann in die Welt zu tragen. Eine großartige Form von Publicity. Eigentlich sollte jeder Autor einen haben.
Aber, wie zur Hölle angelt man sich einen Blogger? Gibt’s die bei Edeka? Ach nee, die lieben nur Lebensmittel. Leben Blogger im Wasser oder muss man sie im Wald suchen wie Trüffel? Oder doch in der Luft, weil sie über allem schweben?
Eine schnelle Recherche ergibt: Sie sind online erhältlich. Aber der Zugang hat so seine Tücken. Wäre ja auch zu einfach, wenn man sich so einen Blogger frei Haus liefern lassen könnte. Stubenrein und anspruchslos. Gut gelaunt und lesewillig.
Sind die meisten. Wirklich. Viele bringen sogar eine Form von Bedienungsanleitung mit. Und nett wie ich bin, habe ich euch daraus ein paar Sachen zusammengeschrieben. Dabei ist mir allerdings das ein oder andere aufgefallen. Deswegen hier im Director’s Cut mit Anmerkung der Producer.
Vorab: Autoren müssen übrigens nicht froh sein, dass jemand ihre Werke liest. Sie dürfen sich darüber aber freuen. Und Blogger müssen nicht jedes Buch jubelnd entgegennehmen. Sie dürfen gern freundlich ablehnen. Bestenfalls soll aus diesem Zug-um-Zug-Geschäft ja eine Win-win-Situation werden.
Jetzt aber los. Das „Best of Bloggerhandbuch“.
„Ich lese keine Selfpublisher.“
Hört und liest man ja häufiger auf Blogs und in Beiträgen in den Social Media. Vielleicht sollte derjenige jedoch erstmal die Begriffserklärung lesen. Selfpublisher sind Menschen. Wer die liest, ist hauptberuflich entweder mit Psychologie beschäftigt oder The Mentalist. Also bitte vielleicht noch einmal über die korrekte Anwendung von Fachtermini recherchieren.
„Ich lese nichts von Selfpublishern.“
Sprachlich sicherlich geglückter. Soll das den Autoren im Selbstverlag nun sagen, dass nicht genügend Material da ist, dass sie zu wenig schreiben? Können wir gern ändern. Ich teile das gleich gerne mal in diversen Gruppen. Oh. Da steht noch was mehr. Ach so. Jetzt verstehe ich. Man möchte nichts von Selfpublishern lesen.
„Es gibt Gründe, warum diese Amateure kein Verlag bei sich aufgenommen hat.“
Sicherlich. Immer. Zu hundert Prozent. In jedem Fall. Man kann als Autor ja auch überhaupt kein Interesse daran haben, von A–Z alles selbst in der Hand zu haben. Macht ja gar keinen Sinn. Mal unter uns – wer soll denn sowas wollen? Blogger stehen ja auch ausschließlich unter Vertrag und organisieren ihre Arbeit nicht selbst. Sonst wären sie ja keine Blogger. Sondern nur verzweifelte Freizeit-Nachdenker, die hobby-philosophierend über ihre Leseleidenschaft berichten. „Prädikat wertlos“ quasi. Amateurhaft. [Sie hat das Suffix *haft benutzt, hihi. – Oh, sie weiß, was ein Suffix ist …]
Etymologisch betrachtet wäre es übrigens eine Schande, wenn wir keine Amateure wären, denn der lateinische Begriff Amator steht für nichts Geringeres als „Liebhaber“. Und wir beschäftigen uns schließlich mit Worten – weil wir sie lieben. Von daher sei mir dieser kleine Exkurs verziehen.
„Ich akzeptiere bei Rezensionsexemplaren nur Prints, auch wenn ich einen Reader habe.“
Ja. Dann ist das eben so. Scheint ja wirklich um die Geschichte zu gehen. (Erkrankungen und Behinderungen lasse ich mal, der Fairness halber, außen vor. Diejenigen, die deswegen an der Benutzung eines Readers gehindert werden, schreiben aber in der Regel den Grund dazu.) Schönster Punktabzug in der Rezension geht dann auch definitiv an: „Die Schrift war zu klein.“ – Ihr wisst aber schon, dass bei den meisten Portalen bei 700 Seiten Print Schluss ist!? Ich meine, okay – wenn ihr unbedingt das Ende nicht mitlesen wollt oder an einem fiesen Cliffhanger interessiert seid, weil man zwei Bände draus machen musste. Bitte. Kriegen wir hin. Diejenigen, die das Buch dann nicht als Gratis-Exemplar bekommen, werden uns dann zwar unter Umständen Geldschneiderei unterstellen, aber mit Kritik können wir ja leben. Ein Buch wird übrigens nicht automatisch exponentiell günstiger, nur weil es weniger Seiten hat. Kann man gern mal auf den entsprechenden Portalen selbst nachrechnen.
„Sieh dir bitte erst an, was ich lese, bevor du mich anschreibst.“
Ja. Seh ich genauso. Dann lies aber bitte auch mein Anschreiben und den Klappentext richtig, bevor du mit den Worten „Ist nicht mein bevorzugtes Genre, du hättest meine Seite besser anschauen sollen“ ablehnst. Bei 123 Elben-Einhorn-Werwolf-Romanen im Regal ist ganz sicher ein Werwolf-Elben-Einhorn-Roman völlig deplatziert.
„Verlinke bitte deine Referenzen.“
Gerne. Ist auch ganz einfach, so als Neuling, wenn man sich eben nicht die Verwandtschaft ins Boot geholt hat, um bei Amazon die ersten Gefälligkeitsrezensionen zu erschleichen.
„Gib dir bitte Mühe mit deinem Anschreiben, ich habe einen Namen und den möchte ich dort gern auch lesen.“
Okay. Unterschreibe ich. Kein Einspruch. Außer – hach. Menno. Es gibt eben Blogger, die ihren Namen verheimlichen. Schreib ich da besser „Lieber Blogger“ oder „Hallo, Bloggimausi“? Na gut, ich bin Autorin. Ich lass mir was einfallen. Später.
Amüsant ist auch immer, sich den SuB – Stapel ungelesener Bücher – anzuschauen, sofern er denn präsentiert wird. Tsundoku – ein wunderschönes Wort für das, was als Autor in diesem Punkt mein persönlicher Horror ist. Zeigt es auf der einen Seite, dass der Blogger (vermutlich zu recht) begehrt ist, bibliophil und belesen, enttarnt er in manchen Fällen aber auch den Horter, Sammler, Chaoten. Und dennoch juckt es in den Fingern, sich in diesen Stapel einreihen zu wollen, weil ja so viele Bücher darauf auch zum eigenen Werk passen. Ein Vabanque-Spiel. Geht man da nicht unter? Wie individuell wird man behandelt? Kann der Blogger den von mir erdachten Zeitplan überhaupt einhalten?
Oh, ich habe die Fragen nicht beantwortet? Tja. Das geht eben nur im Dialog. Mit dem Blogger des Vertrauens. Vertrauen ist ja, wie wir aus der Uralt-Werbung einer großen deutschen Bank wissen, der Anfang von allem. Kommt aber nicht von ungefähr. Ein bisschen Goodwill von beiden Seiten ist da erforderlich. Den findet man aber weder im Sumpf, noch im Wald, noch auf der Heide, sondern in der Kommunikation mit dem Objekt der Begierde. Ein freundlicher Lockruf – nicht zu forsches, aber auch nicht zu zögerliches Balzverhalten – könnte hilfreich sein. Und wenn es dann nicht miteinander klappt – kein Grund zur Panik, andere Blogger haben auch schöne Seiten. Elektronische und menschliche.
Was das nun mit der Überschrift zu tun hat? In diesem Haifischbecken, das sich Buchmarkt nennt, schwimmen große, kleine, dicke, lange – bla bla – Fische. Dass sich gefälligst in eine kuschlige Anemone verzieht, was sich gefunden hat, ist klar. Ebenso, dass sich der ein oder andere lieber aus dem Weg schwimmt. Beißende Kommentare wie „Du wirst schon sehen, was du davon hast!“ (Ja, mehr Lesezeit für Bücher, die mich interessieren) oder „Du verpasst einen neuen Bestseller!“ (vielleicht, aber gedruckte Lettern lösen sich nicht in Luft auf, ich kann das Buch auch später kaufen) und auch immer wieder ungern gesehen „Du hast keine Ahnung!“ (mag sein) zeugen von nichts anderem als schlechtem Stil und verunreinigen das Wasser, in dem wir alle schwimmen. (Wer will schon ein Buch von einem Autor lesen, dessen Stil er schlecht findet?)
An dieser Stelle daher mein Appell: Seid nett zueinander. Hegt und pflegt eure Beziehungen. Die zu Worten, Büchern und elektronischen wie menschlichen Seiten. Und: Regelmäßig füttern nicht vergessen!

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