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What goes around, comes around - Wer Wahlkampf sät, wird Wähler ernten

Über Ent-Täuschung, das Haus, das Verrückte macht und zwei griechische See-Ungeheuer. Und noch so Zeug.

 

Ich bin enttäuscht. Das kann ich guten Gewissens sagen, da ich damit zugebe, mich vorher getäuscht zu haben. Oder naiv genug war, mich habe täuschen zu lassen.

 

Wo der Unterschied ist? Nun, im ersten Fall hab ich etwas falsch interpretiert, es ging keine Täuschungsabsicht von demjenigen aus, den ich jetzt mit anderen Augen betrachte. Im zweiten Fall ist es umgekehrt; ich habe geglaubt, was man mir gesagt hat, wobei derjenige nicht ganz ehrlich mit mir war.

 

 

Die Wahrheit liegt in diesem Fall in der Mitte

 

Ich möchte der Person keine Täuschungsabsicht unterstellen, weil das unlauter wäre. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass die Realität an manchen Stellen zurechtgebogen wurde, um einen kompetenten wie motivierten Eindruck zu vermitteln. 

 

Ob das nun daran lag, dass sie selbst Trugschlüssen aufsaß oder diesem Bild selbst gern glauben mochte, weiß ich nicht. Ich werde es vermutlich auch nicht herausfinden, da dieses Wissen entweder ihren eigenen blinden Fleck betrifft oder in den Mantel des Schweigens gehüllt wurde. 

 

Es spielt auch keine Rolle

 

Denn es ist meine eigene, persönliche Enttäuschung, mit der ich fertigwerden muss. Autocorrect schlug mir gerade statt Enttäuschung Entzauberung vor. So weit will ich nicht gehen, aber es ist tatsächlich ein wenig so, wie der Moment, in dem der Zauberer das Kaninchen aus dem Hut zieht. Nur dass in meiner Realität eher die Katze aus dem Sack gelassen wurde. 

 

 

Den Zauberer kann ich nicht verklagen, wenn ich seine Illusion geglaubt habe, und nun in »Breaking the Magician‘s Code«-Manier sein Trick enthüllt wurde, was mich dann insgesamt nicht mehr zufriedenstellt bzw. mein Zuschauer-Erlebnis ruiniert.

 

Trick? Was für ein Trick?

 

»Guter« Wahlkampf. Im Sinne von erfolgreich. Pack die Menschen dort, wo ihr Schmerz sitzt und versprich ihnen Heilung.

 

Ihr wünscht euch mehr Transparenz? Bitte, könnt ihr haben.

Ihr wollt jemanden, der sich für eure Bedürfnisse einsetzt und zwischen Politik und Bürgerschaft vermittelt? Kein Problem.

Ihr seid unzufrieden mit allem und wollt, dass sich wenigstens ein bisschen was ändert? Wählt mich!

 

 

Ich bin also auf ein Pick-me-Girl »reingefallen«

 

Auf was? Pick-me-Girls sind Mädchen/Frauen, die sich in extremer Weise anbiedern, um einem Mann zu gefallen. (Findet hauptsächlich in Cis-Hetero-Beziehungen statt, deswegen schreibe ich das so.)

Sie suchen sich neuralgische Punkte aus, an denen sie anknüpfen. Im Prinzip sind sie Dschinns, die ihrem potenziellen Partner die Realisierung seiner Träume versprechen. Der Unterschied zu den Sagengestalten ist, das Pick-me-Girls offensiv auf Männer zugehen und sie becircen, ihnen das Blaue vom Himmel versprechen und dabei Dinge tun und mitmachen, die sie selbst vielleicht gar nicht auf der Agenda hatten. 

 

Hab ich das Pick-me-Girl gewählt?

 

Jein. 

Jein?

Es gab eine Wahl und eine Stichwahl. Punkt. 

 

 

Es gab einen Wahlkampf und eine Schlammschlacht

 

Und ich habe mitgeworfen. Ein bisschen. In fast alle Richtungen. Habe tagelang recherchiert, Netzwerk und Telefonleitungen glühen lassen. Beide Stichwahlkandidaten etwas näher kennengelernt. Mir meine eigene Wahlentscheidung nicht leichtgemacht. 

 

 

Nebenbei: Ja, das auf dem Foto bin ich

 

Es gibt ein Foto vom Abend der eigentlichen Kommunalwahl, das mich im Hintergrund beim #TeamEislöffel zeigt. (Ich gucke so seltsam, weil ich kurz vorher umgeknickt bin und Schmerzen hatte, aber trotzdem gern in größerer Runde die Wahlergebnisse verfolgen wollte.) Im Rathaus gab es kein Public Viewing und ich wurde gefragt, ob ich der Runde beiwohnen wollte.

 

Ja. Gerne. 

 

Hätten mich beide gefragt, wäre ich zu Hause geblieben. Hätte mich Dr. Heidinger gefragt, hätte ich den Abend mit seinem Team verbracht. 
Nennt mich Opportunistin, wenn ihr wollt, bitte. Vielleicht beschäftigt ihr euch aber lieber mal mit Dialektik. Danke.

 

Und wisst ihr was?

 

Rein persönlich finde ich die Person, die mich enttäuscht hat, immer noch sympathisch. Sie hat mich in ihrer Amtsausübung enttäuscht, in der Wahl ihrer Mittel. Ich hatte mir eine andere Vorgehensweise erhofft. Aber das ist für mich kein Anlass, ihre Person zu diskreditieren.

 

War meine Erwartungshaltung zu hoch?

 

Das frage ich mich ganz ehrlich. Liegt der Fehler bei mir? War ich zu naiv?

 

War sie das vielleicht auch?

Oder tanzt sie gerade fröhlich aufrecht Limbo unter der selbstgesteckten Latte? 

 

Mein Pick-me-Girl hat seine Wahlversprechen in der Verifikation bisher sehr weit ausgelegt und gedehnt. Wie viel es mit ihrer eigenen Ent-Täuschung, gebundenen Händen und fehlenden Houdini-Skills zu tun hat, weiß ich nicht. Ich bin geneigt, das weiter zu beobachten. 

 

 

Mehr nicht?

 

So wenig, wie ich den Zauberer verklagen kann, kann ich meinem Pick-me-Girl juristisch an den Kragen. Sagen zumindest die Experten. (Danke, ich hab welche auf Kurzwahl.) Sie sagen aber auch, dass statistisch erwiesen ist, dass solche Menschen entweder irgendwann wirkliche Fehler begehen – sei es, weil sie [absichtlich] falsch beraten wurden oder der Dunning-Kruger-Effekt zuschlägt – oder merken, dass es besser ist, zurückzutreten – entweder weil der Druck zu groß ist oder weil sie wirklich ein Einsehen haben. 

Was davon nun realistisch ist/als Erstes eintritt, kann man abwarten oder provozieren. 

 

 

Ich nehme keine Wetten an ...

 

... weil es durchaus auch möglich ist, dass erst die nächste Wahl bzw. der nächste Wahlkampf darüber entscheidet. Es interessiert einfach zu wenig Menschen. Die, die es interessiert, sind gespalten in Befürworter und Gegner. Wenn auch nicht zu gleichen Teilen. Wetten oder prognostizieren will ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Das wäre unfair, unprofessionell und unlogisch. 

Daher nur diese kleine Ode über die Enttäuschung – so far. 

 

 

Noch ganz kurz: Ein politischer Nachruf

 

Nein, nein. Nicht auf sie. So weit sind wir noch nicht. 

 

Mir tut es um Dr. Heidinger ... leid. Hm. Ja. Irgendwie schon. Ich habe ihn häufig kritisiert, über sein Konnexitätsprinzip-Mantra gestöhnt und manche seiner bzw. Entscheidungen unter seiner Führung abgelehnt. Hat mir nicht geholfen, ihm aber leider auch nicht. 

 

Was ich sagen will: Mir kommt in den Tagen seit dem 13.9.2020 immer wieder die Frage in den Sinn, ob wir mit eindeutigem »weiter so« vielleicht doch besser gefahren wären. Weil es nämlich nach diesem Wahlkampf nicht so weitergegangen wäre. 

Ich will hier nicht darüber philosophieren, dass sich die SPD und ihr Bürgermeisterkandidat einfach zu altbacken, selbstsicher, zu wenig selbstironisch und selbstkritisch präsentiert haben. Aber im Nachgang hat man sich dessen einsichtig gezeigt, was mir die o.g. Prophezeiung erlaubte.

 

So oder so: Wie ich bereits an anderer Stelle sagte, es schien wie Odysseus' Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Ich wage aber zu behaupten, dass die Konstellation des Stadtrates in seiner jetzigen Form mit Dr. Heidinger als Bürgermeister uns weniger negative Schlagzeilen, Enttäuschung und hitzige Diskussionen eingebracht hätte. 

 

 

Nun hat ja jeder seinen Kink, ich persönlich fände es aber erquickender, wenn ich nicht jeden Tag Neues aus dem „Haus, das Verrückte macht“ lesen müsste. Und ganz nebenbei: Ich wäre inzwischen bereit für den Passierschein A38. 

 

 

 

Common, change my mind!

 

Mein Blog, meine Meinung. In der Kommentarspalte ist Platz für deine /Ihre.

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Kommentare: 4
  • #1

    Ralf B. (Donnerstag, 18 Februar 2021 21:34)

    Wahre Worte...
    Es kommt einem vor als wären wir vom Regen in die Jauche gekommen. .

  • #2

    Martin (Donnerstag, 18 Februar 2021 21:37)

    Danke. Alles gesagt!

  • #3

    Ali Kaya (Donnerstag, 18 Februar 2021 23:27)

    Gut geschrieben.
    Ich bin auch sehr enttäuscht, war einer der ersten Gratulanten mit Michael Heidinger zusammen.
    Hatte die Wahl so akzeptiert, was soll man sonst auch machen.
    Hatte erst Verständnis, das sie Frau Lammert haben wollte, habe aber kein Verständnis dafür das sie uns den Rat der Stadt und auch die Wähler ( Bürger) belogen hat,
    Das Vertrauen zur ersten Bürgerin der Stadt ist weg.
    Am Ende hat Dinslaken das bekommen, was es gewählt hat.
    Gute Nacht und liebe Grüße.

  • #4

    Der Rutte (Freitag, 19 Februar 2021 12:51)

    Ehrlich gesagt- keine Ahnung ob Frau Eislöffel für das Amt des Bürgermeisters geeignet ist. Das kann ich nicht beurteilen....
    Ich kenne die Dame auf privater Ebene, und da passt es, rein zwischenmenschlich.
    Von Amts wegen habe ich bisher nur ihre „Transparenz-Videobotschaften“ gesehen, die allerdings für mich nicht sonderlich interessant rüberkamen. Mehr kann ich dazu aber auch nicht sagen. Außer dass ich die vielen negativen Reaktionen auf die Person Eislöffel für übertrieben halte....
    Mit m Heidinger kam ich gut klar, war halt so n kumpelhafter Typ, der sehr gerne unsere Veranstaltungen besuchte und zu wertschätzen wusste. Ich persönlich fand ein Amtszeitdauer von 12 Jahren (oder so) dann auch genug und Zeit für einen Wechsel....