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Wie ich im Jahr 2018 ein Päckchen in die Schweiz geschickt habe. Nicht.

Es begab sich an einem Samstagabend, dass ich die irrwitzige Idee hatte, einer lieben Schweizer Freundin ein Päckchen zu senden. Habe ich bereits mehrfach getan, ich weiß also um den Ablauf dieses Unterfangens. Aber weil ich sie so gern habe, stürze ich mich in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder in dieses Abenteuer.

 

Es beginnt, wie immer, mit der Auswahl des richtigen Kartons. Gesamtkantenlänge kleiner 90 cm, keine Kante länger als 60 cm. So weit, so klar. Gesamtgewicht kleiner 2 kg. Maßband und Küchenwaage sind bereit. Ergebnis: 30 x 30 x 15 cm und 1865 Gramm, der anwesende Ingenieur nickt und hebt den Daumen. Es kann weitergehen.

 

Ich öffne die DHL-App und suche den Päckchenversand aus, wundere mich, dass ich statt gewöhnlich 12,70 Euro nun 16,00 Euro zahlen soll, aber in Zeiten, in denen gefühlt im Halbjahrestakt bei Briefen Ergänzungsmarken nachgekauft werden müssen, wundert mich auch als Vielverschicker nichts mehr.

 

Immer wenn ich aber beginne, die Adresse einzugeben, stürzt die App ab. Die Schuld bei mir suchend, prüfe ich, ob ich die aktuellste Version geladen habe, schließe und öffne die App erneut – selber Fehler.

 

Nun gut, der Haushalt ist randvoll mit Technik, ich wandere also an den Laptop und öffne die Seite  der Post. Dort kann ich die Versandmarke vorbefüllen und treffe auch die mir wohlbekannten 12,70 Euro wieder. Freu. Es lebe die Preistransparenz.

 

Bei der Zollkonformitätserklärung jedoch wachsen mir mit einem Schlag dreißig neue graue Haare. Drei Zeilen – für ein Päckchen voller gleichschwerer und gleichwertiger kleiner Geschenke. Großartig. Soll ich was unterschlagen? Der Hilfe-Button scheint meine Rettung. Ich solle den Inhalt des Pakets auflisten. Ach, was? Ehrlich? Da wäre ich nicht drauf gekommen. Mein Problem ist gelöst. Nicht.

 

Kriminell wie ich nun mal bin, schreibe ich einfach mehrere Dinge in eine Zeile und addiere ihren Wert. Leider ist keine Freizeile dabei, um den Zollbeamten meine Entschuldigung und ein paar warme Worte auszusprechen; aber falls das hier jemand liest: War keine Absicht! Ich hätte es echt gern richtiggemacht!

 

Für die gesparten 3,30 Euro nehme ich zwar gern in Kauf, dass ich die Versandmarke selbst drucken muss, wundere mich in Zeiten CO2-freundlicher Versandmöglichkeiten aber darüber, dass ich dafür zwei Blatt Papier bereitstellen muss, da Zollerklärung und Marke nicht auf einem Blatt sind und ich mir auf Blatt 2 den Nachweis über das Päckchen, der ohnehin nicht der Sendungsverfolgung dient, nicht sparen kann. Ob ich das vielleicht einfach kleiner auf eine Seite drucken dürfte, werde ich nie erfahren, da der Hilfe-Button mir ganz hilfreich sagt, dass ich das Dokument drucken, ausschneiden und aufkleben soll. Und die Zollkonformitätserklärung eigenhändig unterschreiben muss. Aye, Sir!

 

Ich schreibe, schneide und klebe wie im Vorschulunterricht. Ich male nicht über die Linie, das mochten die Jungs damals schon nicht, und ich achte darauf, dass aus dem Päckchen nichts herausfallen kann. Der anwesende Ingenieur rüttelt und rappelt den Karton einmal durch, nickt, Daumen hoch, Qualitätsprüfung bestanden.

 

Wir machen einen kleinen Zeitsprung. Es ist Montagnachmittag, ich laufe zum Blumenladen meines Vertrauens, wo ich in liebevollem Coaching den Damen bereits fünfunddrölfzigmal erklärt habe, wie man Pakete mit einem Mobilen Paketschein annimmt. Die Angestellte geht trotzdem in Deckung, als sie mich sieht, ich sage ihr freundlich, dass heute alles ganz einfach ist, da ich das Etikett ausnahmsweise selber gedruckt habe. Erleichterung macht sich breit. Sie holt den Scanner, gibt ihr Bestes und wir scheitern. Das Gerät erkennt keinen der Barcodes.

 

Na gut, ich krame also die E-Mail hervor, aus der ich die Versandmarke hatte, und öffne das PDF. Nein, falsch. Ich kann das PDF nicht erneut öffnen, da ich den Paketschein bereits ausgedruckt habe. Jau. Das macht Sinn. Bei einem Papierstau im Drucker wären also noch mal 12,70 Euro fällig gewesen oder wie? Man bittet mich, das Päckchen wieder mitzunehmen und es in einer Postfiliale aufzugeben, dort habe man mehr Möglichkeiten. Juchu.

 

Zur nächsten Filiale zu laufen schaffe ich zeitlich nicht, da ich in einer Dreiviertelstunde einen Termin habe, außerdem bin ich zu dünn angezogen und es ist saukalt und windig. Ich gehe zurück nach Hause, besteige mit Päckchen mein Auto, zeige dem CO2-neutralen Versand traurig den Mittelfinger und schlucke ein paar Herztabletten von meiner Omma gegen das schlechte Gewissen der Umwelt gegenüber. Im Dorf angekommen finde ich einen Parkplatz und ahne Böses, werde auch ganz schnell ernüchtert – die Filiale hat „wegen Rosenmontag geschlossen“. Ich überlege, ob und wie laut ich fluchen und rumschreien soll, entdecke aber den Polizei-Mannschaftswagen gegenüber dem Reisebüro und schleiche mich lieber von dannen. Mein Psychiater wird den ausgebliebenen Tobsuchtsanfall als Rückfall in meine Zu-Gutmütigkeit ansehen, aber manchmal muss man sich eben beherrschen.

 

Im Auto, das Paket liebevoll auf dem Beifahrersitz angeschnallt, weil es zusammen mit der Tasche sonst den „Nicht-angeschnallt-Alarm“ auslöst, überlege ich kurz, das Paket eben selbst in die Schweiz zu bringen (12 Stunden Fahrt) oder es doch auf der Hauptpost aufzugeben.

 

Klar, wenn schon, denn schon. Ich checke die Öffnungszeiten der Hauptstelle, stelle fest, dass 14.59 Uhr in den Rahmen des Möglichen fällt und mache mich auf den Weg. Auf der Suche nach einem Parkplatz sehe ich bereits, dass ich auch hier vor verschlossenen Türen stehen werde und ordne mich direkt wieder in den fließenden Verkehr ein. Da ich im Auto sitze, weit und breit keine Polizei in Sicht ist, schreie ich laut das Lenkrad an. Mein Psychologe wäre sicherlich stolz auf mich in diesem Moment. Vom Beifahrersitz aus leuchtet mir in Frühlingsfarben das Päckchen entgegen. Seine Reiselust ist ungebrochen.

 

Und jetzt die Pointe? Der Plotturn? Warten alle auf den gelb-roten Ritter im großen gelben Auto, der die arme Päckchen-Prinzessin von ihrem Schicksal erlöst? Also, wenn ihr sowas lesen wollt, kauft gern meine Bücher, da ist die Chance wesentlich größer. Wir schreiben hier das Jahr 2018 und ich habe versucht, ein Päckchen in die Schweiz aufzugeben. An Rosenmontag. [Die Gebrüder Grimm wissen wohl, warum sie ihn vom rasenden Montag ableiten.] Dem höchsten Feiertag in Deutschland. Was für eine dumme Idee. Wie ignorant von mir. Verzeiht das Unverständnis einer Andersdenkenden, ihr Narren. Wobei … Wer ist hier der Narr?

 

Ja, wahrscheinlich doch ich. Die ich glaubte, das „mal eben“ erledigen zu können. Die trotz aller Vorbereitung und Akkuratesse glaubte, dass es einfach sei, im 21. Jahrhundert ein Päckchen auf die Reise zu geben. Die wirklich so naiv war zu glauben, sich auf Öffnungszeiten, die im Internet auf der Seite des Dienstleisters stehen, verlassen zu können. Die wirklich so engstirnig ist, nicht einfach bis zum nächsten Tag zu warten wollen. Die ja sonst nichts zu tun hat.

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Kommentare: 1
  • #1

    Vero Havre (Freitag, 02 März 2018)

    Inzwischen, da im Rheinland lebend, passiert mir so etwas nicht mehr. Aber als ich noch westfälische Westfälin war, habe ich mich sehr gewundert, dass ich an Weiberfastnacht (diesen Tag hatte ich als „Feiertag“ nie auf dem Schirm) weder mit Anwälten, noch mit Versicherungen oder … im Rheinland telefonieren konnte.