· 

Vision impossible - Man wird ja wohl mal träumen dürfen ...

Warum immer gleich zum Arzt gehen, wenn's auch mal die heimische Couch tut?

Über das Visionieren und Visualisieren. Das unMÖGLICHE. Neues von den Active Citizens.

 

Was war das noch gleich?

 

Active Citizens. Aktive Bürger. Ich habe vor einer Weile bereits über dieses Gremium berichtet, das ein Programm für mehr Bürgerbeteiligung in Dinslaken entwickelt. Wie so ziemlich alle Projekte, die europaweit aufgestellt sind, hat auch uns die Pandemie zu einer anderen Arbeitsweise gezwungen. Wo überwiegend physische Treffen, analoge Zusammenarbeit und jede Menge Post-its geplant waren, findet nun das meiste in Videokonferenzen und auf andere digitale Arten statt. Auch für uns bedeutete das ein Umdenken und Umlernen sowie Änderungen im "Fahrplan". Mit ein Grund, warum ich beispielsweise über die Small Scale Actions noch nicht wieder berichtet habe. Aber: Wir sind weiterhin fleißig. Und auch für uns wird immer deutlicher, welchen Mehrwert wir schaffen [können].

 

Warum hört und liest man dann so wenig darüber?

 

Ja, warum liest und hört man so wenig von einer Sache, die sich damit beschäftigt, wie mehr Menschen beteiligt werden können? Das klingt doch schon wieder nach Entscheidungen im verschlossenen Kämmerlein. 

Wie ich bereits im ersten Artikel dazu erwähnte, ist das ein fader Beigeschmack, den wir da ein bisschen auf der Zunge tragen. Das wird auch immer wieder deutlich, wenn wir uns mit möglichen Einwänden und der späteren Akzeptanz des Bürgerbeteiligungskonzeptes befassen. Aber irgendjemand muss ja den Anfang machen. Und auch wenn wir bereits fünf Arbeitssitzungen und unzählige Stunden an Videokonferenzen hatten: wir haben wirklich gerade erst angefangen. Es ist nichts beschlossen. Wir erarbeiten uns nach wie vor die Arbeitsweise, um es mal so zu sagen. Oder anders:

 

"Keine Entscheidung über uns ohne uns", sagte Christophe Gouache, seines Zeichens Lead Expert bei URBACT. In Dingen, die die Bürger*innen betreffen, soll keine Entscheidung gefällt werden, ohne dass sie sie mit erarbeitet und daran teil haben. Wir erarbeiten gerade die Möglichkeit zu dieser direkteren Mitbestimmung [vorausgesetzt der Rat der Stadt beschließt dann positiv darüber].

 

Ah. Ihr gammelt also rum.

 

Neiiiiiiiiin. Alles, aber das nicht. Wenn man allerdings mit 12-20 Menschen, die unterschiedlichste Skills, Ideen und Arbeitsweisen haben, etwas auf die Beine stellen will, muss man erst einmal schauen, wo die Reise hingeht, wie und womit man sie bewerkstelligt und wer was zu welchem Zeitpunkt beitragen kann. Der einzige Moment, an dem wir mal die Augen geschlossen hatten, waren die dreißig Sekunden, in denen jeder sich Dinslaken im Jahr 2031 vorstellen sollte. Ichschwör.

 


Ich wurde nicht einfach so auf die Menschheit losglassen!
Ich wurde nicht einfach so auf die Menschheit losglassen!

Na gut. Also: was gibt's Neues ?

 

I have a dream.

 

Keine Panik, ich laber euch jetzt nicht mit dem Zeug voll, das mir nachts den Schlaf raubt. Und ich werd mir auch nicht anmaßen mich mit Martin Luther King und dem Marsch auf Washington zu vergleichen. Aber wenn man diesen Satz liest, hat man sofort die markante Stimme im Ohr und dieses entschlossene Gesicht vor Augen. Ich zumindest.

 

Man riet King im Vorfeld, nicht "I have a dream" zu sagen. Das sei klischeehaft und abgenutzt

 

Ja. Ähm. Gut. Die Rede ist vielleicht auch ohne ein Meisterstück der Rhetorik, aber um seine Vorstellung von der Zukunft authentisch und greifbar zu transportieren, bediente er sich der Anspielung auf den "American Dream", der mangels Gleichberechtigung der Afroamerikaner in allen Gesellschaftsbereichen, einen großen Teil der Amerikaner ausschloss.

 

Nun sind wir ja dank des Grundgesetzes (Artikel 3, Absatz 1) vor dem Gesetz alle gleich, haben u.a. Meinungs-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit, dürfen unseren Beruf frei wählen und nicht zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. 

 

Das ist nicht neu.

 

Wait for it.

 

Danke.

 

Ich versuche nämlich  hier, den Begriff der Vision zu etablieren, ohne dass sofort jemand dazwischengrölt "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen." Diese fürchterliche Floskel haben wir Altkanzler Helmut Schmidt zu verdanken, der sie so salopp dahinschnodderte als hätte es Martin Luther King nie gegeben. 

Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

 

Nun. Um sich bewusst zu werden, wie aus mangelnder Bürgerbeteiligung eine lebhafte Beteiligungskultur werden kann, muss man einerseits die Ursachen und die Auswirkungen des Mangels analysieren. Damit haben wir uns in den ersten Sitzungen der Active Citizens ausführlich beschäftigt. Gab es zu wenig Angebote? Warum haben sich nur "die üblichen Verdächtigen" beteiligt? Wozu führt das, wenn nur eine privilegierte, immergleiche Gruppe Entscheidungen für alle fällt? Und so weiter. Mit jeder dieser Fragen kann man Abende füllen. Ich sag's nur mal.

 

Was macht man dann aber mit dem Wissen, woher der Mangel rührt und wie er sich auswirkt? 

 

Statt direkt draufloszuwerken, Projekte aus dem Boden zu stampfen und einfach mal zu machen, lautete die Vorgabe der Projektleitung: Träumt. Erlaubt euch einen Traum. Denkt darüber nach, wie ihr dieses Problem in zehn Jahren gern sehen würdet. Ambitioniert, aber realistisch. Beamt euch gedanklich ins Jahr 2031, schaut euch um und blickt zurück. Wo steht ihr jetzt, wie seid ihr dort hingekommen? Entwickelt eine Vision von dem Weg, den man gehen könnte [um mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen]. Zäumt das Pferd gedanklich von hinten auf. Habt Ideen.

 

So. Im Absatz zuvor habe ich den Begriff Vision versteckt. Lest noch mal.

Echt so schlimm, dass ich auf die Couch sollte? 


Nebenbei bemerkt: Da ist es übrigens überhaupt nicht schlimm. Und auch so ein Kopfdoktor bedient sich gerne mal der Übung, dass man beschreibt, wie/wo man sich in ein paar Jahren oder einer bestimmten Situation sieht. 


Nun ist der Begriff Traum nicht hundertprozentig deckungsgleich mit dem der Vision. Wenn man aber Kings Rede analysiert, in der er seinen Traum beschreibt, zeichnet er dort vor dem geistigen Auge seiner Zuhörer seine Vision von einem besseren Amerika. Diese Vision läppisch abzuwinken fällt heute nur denjenigen ein, die sowieso ein paar Nachhilfestunden in Geschichte brauchen und sich ohnehin nicht auf diesen Blog verirren würden.

 

Okay, okay. Dann halt Vision.

 

Jutie. Danke.

 

Ich komm jetzt auch ganz schnell an den Punkt, an dem ich dann meine mit euch teile und ihr euch drüber lustig machen könnt. Auf der Couch lieg ich schon; was soll also passieren?

 

Um eine Vision für andere - euch beispielsweise - greifbar zu machen, visualisiert man sie. Sprich: Man verpackt sie so, dass jeder diese Vorstellung erleben kann. Sei es durch einen Film, Fotos, etwas Vorgelesenes oder etwas zum Lesen. 

 

Meine Vision, wie sich die Bürger*innen in Dinslaken im Jahr 2031 aktiv in Stadtplanung, Raumentwicklung, Events, Kultur usw. einbringen, diese nicht nur mitbestimmen, sondern auch mitgestalten, habe ich in einen fiktiven Zeitungsartikel fließen lassen. 

 

 

 

Das im Text angesprochene Partizipationscenter ist bislang nur "meine" Idee und nicht Gegenstand des Projekts. Dass ich unsere Social-Media-Managerin Michele Müller einfach mal "versetzt" habe, verzeiht sie mir hoffentlich ...

 

Schön. Und?

 

Genau dasselbe wollte ich auch gerade fragen.

Was fehlt euch, um euch aktiv einzubringen? Sei es bspw. beim Thema Hünxer Straße, bei der Entwicklung des Trabrennbahnareals und anderer Flächen, bei der Digitalisierung, in Wohn- oder Nachhaltigkeitsprojekten und so weiter. Was hindert euch an der Mitwirkung? 

 

Viel wichtiger aber: 

Wie müsste für euch das Angebot aussehen, damit ihr euch einbringen wollen würdet? Wofür würdet ihr euch einsetzen wollen? Was würde euch motivieren?

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Heidemarie (Donnerstag, 21 Januar 2021 12:12)

    Es würden sich garantiert viel mehr Bürger beteilgen, wenn sie es zuhause am Bildschirm machen könnten. Der Bahnhof hat für mich Priorität. Ich habe mitbekommen, wie Besucher des Burgtheaters sich über diesen "hässlichen" Bahnhof unterhalten haben und das waren bestimmt nicht die einzigen. Eine Einladung zum Aussteigen ist er garantiert nicht.

  • #2

    Reinhard Claves (Donnerstag, 21 Januar 2021 12:28)

    Ahoi Larissa, die BIG Barmingholten und die BIGG e. V. Umwelt-und Landschaftsschutz in Dinslaken und Umgebung haben erfolgreich den Bürgerantrag gegen den Logistikpark Barmingholten durchgesetzt. Der Antrag ist ohne Änderung dem RVR seitens der Verwaltung zugegangen. Beide BIG's werden auf Vorstandsbeschluss zusammengehen. Eine gemeinsame, virtuelle Mitgliederversammlung wird dazu eingeladen. Ein Strategiepapier wird gerade erstellt um auf alle Planvorhaben der Kommune reagieren zu können. Die BIGG e. V. hat vom Umweltministerium NRW Verbandsklagerecht und Anhöherungsrecht für Anregungen und Bedenken erhalten. Als Vorsitzender und Sprecher der BIGG eröffnet das eine wichtige Teilhabe. Daher würde ich mich auf eine enge Zusammenarbeit freuen.

  • #3

    Norbert Bruckermann (Donnerstag, 21 Januar 2021 15:27)

    Als Parteiloser, aber durchaus interessierter Bürger, gehört zur ganzen Wahrheit auch ein Punkt: die Meinungsbildung endet oft nach Lesen der ersten Überschrift. Die Bereitschaft, sich einzelnen Problemen von verschiedenen Sichtweisen zu nähern ist äußerst gering. Eine breite Beteiligung droht schnell zu A/B-Entscheidungen führen, die wiederum dann eine Entscheidung über den besten Wahlkampf, nicht unbedingt der besten Lösung wird.
    Bei Möglichkeiten der Gestaltung (z.B. Techengelände, Trabrennbahn) bringen sich dann meist wieder nur 'Betroffene' ein- oder die üblichen Verdächtigen. Ich tue mich mit einer Lösungsidee ganz schwer.
    Wie wäre es mit einem für jedes Projekt wechselnde Bürgertum, in das zufällig ausgewählte Bürger aller Altersgruppen eine persönliche Einladung erhalten, denen dann die Experten Rede und Antwort stehen. Das verhindert ziemlich sicher die Entscheidung durch immer die gleichen 'Bürger'- wobei man auch trennen sollte zwischen Bürger und Betroffenen....

  • #4

    Norbert Bruckermann (Donnerstag, 21 Januar 2021 15:29)

    Bürgertum=Bürgerforum