Kannst du dir das nicht leisten?

Ach, Larissa, kannst du dir ... etwa nicht leisten?

... einen Pullover ohne Pilling 
... eine neue Küche [meine ist knapp 20 Jahre alt]
... ein neues Auto [unsere sind 4, 9 und 52]
... ein neues iPhone [meins ist anderthalb]
... jede Woche Steak und Hummer
... Urlaub in der Südsee 
... eine schicke Kreuzfahrt 
... einen Hund
... Netflix
... ein größeres/moderneres Haus 
... 

Ich könnte endlos so weitermachen. Aber ihr wisst längst, worauf es hinausläuft. Das Anspruchsdenken, sich etwas leisten zu müssen, nur weil man es kann, ist so fest in unseren Köpfen und Herzen verankert, dass wir Dinge nicht mehr wertschätzen, nur weil sie alt sind.
So gehen wir mit Autos, Häusern, Möbeln, Kleidung und persönlichem Besitz um, aber auch mit Tieren und Menschen — seht euch auf den Wertstoffhöfen um, in den Tierheimen und Pflegeeinrichtungen. 
Unsere eigene Unzufriedenheit projizieren wir auf andere, wetteifern ums heißeste Up-to-Date und erklären Dinge für obsolet, die noch gar nicht auf dem Markt sind. 
Wir re- und upcyceln wie die Weltmeister. Weil wir uns mal etwas geleistet haben. Weil wir uns belohnt haben. Weil wir es uns wert sind. 
Nur „neu“ macht uns wirklich zufrieden. Teuer und wertig muss es sein — aber worin liegt die Belohnung? Wirklich darin, dass wir uns das neue Handy gekauft und den süßen Rassewelpen angeschafft haben? Im Nutzen und Kümmern und Erfreuen? Oder nicht auch in ungesundem Maß an der Bestätigung, die wir von anderen dafür erfahren?
„Oh, schau mal, Schwarzmüllers leisten sich eine Karibikkreuzfahrt und fahren im neuen Cabrio zum Flughafen, natürlich nur in Big Labels gehüllt.“
„Schwarzmüllers haben jetzt eine neue Küche, so edel und teuer wie ein Apartment in der Innenstadt!“
„Die netflixen ja schon das ganze Wochenende und lassen dauernd Essen liefern, deren Leben möchte ich haben.“

Man muss sich das nicht nur leisten können, sondern auch wollen. Und mir steht dieser Über-Konsum bis zur Unterlippe. 
Ich will wahrlich nicht zurück ins Mittelalter, ich rufe auch niemanden auf, auf Komfort und Fortschritt zu verzichten. Niemand soll leiden, keiner soll zu kurz kommen. 
Wäre nur so ein bisschen geil, wenn wir alle mehr darüber nachdenken würden, ob wir DAS jetzt WIRKLICH unbedingt brauchen, ob wir einen echten Bedarf haben oder nur ein Bedürfnis, und ob wir unser Leben damit langfristig mit Mehrwert bereichern oder nur kurzfristige Effekthascherei betreiben. 

Unser Belohnungszentrum im Hirn lernt auch, mit weniger Highs auszukommen, sie sind dadurch nicht weniger intensiv. Im Gegenteil; der Befriedigungsstress nimmt ab und wir bekommen wieder Muße, uns zu fokussieren. 
Niemand wird gezwungen, mit weniger auszukommen. Schon gar nicht die, die wirklichen Mangel erleben. Ich denke, ihr versteht mich da schon. 

Also: Bevor ihr mich das nächste Mal abschätzig anseht und fragt, ob ich mir keine neue Handtasche leisten kann, da meine ein paar Schrammen hat, überlegt noch mal, ob ihr euch das nicht lieber spart. So wie ich mir die 23. Handtasche. Weil ich es kann. 

Wie ihr seht, ist mir bereits ein Heiligenschein gewachsen. 
Heute keine Trollfütterung. 
Nur Zuschriften mit Bild werden beantwortet.

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