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I’m okay – Ein paar Hintergründe zum Kurzfilm

Schwarzer Bildschirm. Text: "I'm okay"

Gestern habe ich auf allen meinen Kanälen in den sozialen Medien einen knapp neun Minuten langen Kurzfilm veröffentlicht. Der Weltfrauentag war mir ein willkommener Anlass, einen Einblick in einen Alltag zu geben, der vielen fremd ist, aber näher als die meisten denken. 

 

 

 

 

 

Mir geht es nicht um Mitleid oder schlechtes Gewissen.

 

Wer mich ein bisschen kennt und ansatzweise aufmerksam verfolgt hat, hatte sicherlich schon eine Ahnung, warum ich bestimmte Themen häufiger erwähnt und behandelt habe, warum ich in Straßburg im EP zum Thema Frauen und pflegende Angehörige gesprochen habe, warum ich bei jeder Bürgerbeteiligung mit dem „Barrierefreiheit“-Fähnchen gewedelt habe. In einem meiner Bücher spielen sie eine Rolle.

 

 

Für einige kam es aber sehr überraschend, dass es im Hause Schwarz ein Kind gibt. Schön, dann ist unsere Strategie seine Privatsphäre zu schützen ja aufgegangen. Nur, damit wir uns richtig verstehen: Das wird auch so bleiben. Der Eltern-Content wird sich in Grenzen halten und ich werde auch das Mimimi auf ein Minimum beschränken. 

 

Warum ich trotzdem diesen Film gemacht habe?

 

Er brodelte schon lange irgendwo in der Gegen zwischen Herz und Hirn. Da draußen sind so viele pflegende Eltern, pflegende Angehörige, aber auch Alleinerziehende und Paare, denen der Alltag mit ihren Schützlingen manchmal alles raubt. Nerven, Energie, Zeit und Geld. Die aber um nichts in der Welt tauschen wollen. Die morgens müde aufstehen und abends ausgelaugt ins Bett kippen. Die glauben, nie gut genug zu sein, obwohl sie alles geben.

 

The struggle is real.

 

Auch wenn ich jeden Morgen mit dem Bewusstsein aufwache, wie gut es uns geht, wie privilegiert unser Leben ist und wie viel Glück wir haben, kann ich aus den Steinen, die uns in den Weg gelegt werden eine Burg bauen. My home is my castle.

Ich bin unter pflegenden Eltern ganz gut vernetzt und sehe, dass sie oft einfach nicht gesehen und gehört werden. Ihnen fehlt oft die Kraft, sich für ihre Belange einzusetzen. Es war mir daher ein Anliegen, ein bisschen Sichtbarkeit zu schaffen, ohne selbst sichtbar zu sein. Denn es geht nicht um mich oder uns als Familie, sondern um die, die unter dem Radar sind.

 

Viele pflegende Angehörige sind von Altersarmut bedroht. Zwar werden dem Pflegegrad entsprechend Rentenpunkte angerechnet, bei mir entspricht das aber gerade mal etwas mehr als der Hälfte von dem, was ich mal verdient habe. Dafür darf ich mich aber als Freiberuflerin selbst krankenversichern. Keine Sorge, ich fang nicht an zu jammern; ich bin nur kein besonderer Freund von Abhängigkeit. Freiheit und Freizeit sind Luxus für pflegende Eltern, Alleinerziehende, pflegende Angehörige. Selten gibt es ein gutes Netz an Hilfen, der Bedarf ist größer als die Ressourcen. Und es werden täglich mehr Pflegebedürftige, eine Besserug der Situation ist nicht in Sicht. 

 

Der Film beschreibt einen Tag, der gewöhnlicher und unspektakulärer nicht sein könnte. Keine Katastrophen, Unfälle. Die Apokalypse bleibt ausnahmsweise mal aus. Kein Arztbesuch, kein Ausflug, nicht auswärts essen, keinen freien Behindertenparkplatz finden, kein durch Hundescheiße fahren und kein epileptischer Anfall. Aber eben auch keine freie Stunde für Arbeit, Netflix, Freunde treffen oder Sport. Nicht jeder Tag sieht so aus. Es gibt auch solche, an denen ich acht Stunden aus dem Haus bin. Wie ihr euch erinnert, war ich in Portugal, Tschechien, Frankreich, ihr seht mich in der Stadt und ich turne als Giraffe durch den Zuschauerraum der Stadtratssitzung. Diese Tage existieren alle. Aber oft sehen sie eben aus wie in „I’m okay.“ Außer, dass mein Weinglas meistens nicht so voll ist.

 

 

Die Orthesen, die kurz zu sehen sind, wurden heute durch neue, größere abgelöst. Morgen wird der Rollstuhl, den ich in der kurzen Szene reinige, abgeholt, weil der neue, größere gerade geliefert wurde. Kurz noch mal „durchs Glück gefahren“. Man muss auf so vieles achten, wenn man sich mit behindertem Kind in der Stadt bewegt – manchmal sieht man die Haufen leider nicht und bemerkt sie erst im Auto. 

 

Aber ich schweife ab.

 

Der Film in 16:9 ist die Variante, die ich besonders fühle und sehe, sie hat mehr Tiefe und „Momente“. Dennoch habe ich ihn in 9:16 als Vollbild beim TikTok Kurzfilm-Wettbewerb eingereicht. Ich male mir bei der großen, großartigen Konkurrenz keine Chancen auf einen der Preise aus, aber das Internet wäre nicht das Internet, wenn so eine Teilnahme nicht für eine Überraschung gut wäre. No risk, no fun. Ohne den Wettbewerb hätte ich den Film vermutlich immer noch nur im Kopf und nicht gedreht. Dass es ihn in 16:9 gibt ist übrigens nur „müde und zu wenig Kaffee“ zu verdanken. Ich hab die Ausschreibung nämlich falsch gelesen, gedreht, geschnitten und beim Hochladen den Fehler bemerkt. Neu geschnitten. Geweint, weil er so viel verloren hat. Krönchen gerichtet und weitergemacht.

 

Beim Wettbewerb zählen übrigens die Aufrufe und Likes, um auf die Shortlist zu kommen. Wer dem Film also etwas Aufwind geben mag, kann ihn bei TikTok im Hochformat sehen.

 

 

Wer ihn in voller Auflösung in 16:9 anschauen mag: Voila.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Vero (Donnerstag, 09 März 2023 21:05)

    Ich drücke auf jeden Fall die Daumen!

  • #2

    Via (Donnerstag, 09 März 2023 23:20)

    Toller Einblick, hat so viel gesagt mit so wenig Worten.