Liebe Männer, die ihr mir dieser Tage unaufgefordert eure Brüste zeigt,
verratet mir doch bitte, warum ihr das macht.
Warum setzt ihr mich dem Anblick eures entblößten Oberkörpers aus? Was bezweckt ihr? Was sollte das heute?
Du, Mittzwanziger, fettarm und tätowiert, der mir in der Innenstadt begegnete —
sollte ich mich an dir ergötzen?
Du, Fahrradfahrer in den Fünfzigern, Körbchengröße D, vielleicht auch E. Schweißglänzend kamst du mir auf der Bundesstraße entgegen, hieltest an der Ampel und es tropfte von deiner Stirn und
deinen Nippeln. Was war deine Botschaft an mich?
Du, Mann Anfang vierzig, mit den langen feuchten Haaren, der mir am Parkplatz entgegenschlenderte, magere Rippchen im Sonnenbrand, eine Brustwarze gepierct — warum?
Soll ich es euch gleichtun?
Soll ich mich auch obenrum entblößen, um aller Welt zu zeigen, dass mir heiß ist? Dass ich schwitze? Dass ich Brüste habe?
Demonstriert ihr mit eurer Barbusigkeit für oder gegen etwas? Lasst es mich wissen, vielleicht finden sich Mitstreiter.
Wollt ihr jemanden erregen?
Sagt was dazu, eventuell findet sich ja jemand, der Beifall klatschen mag!
Öffentliche Nacktheit ist schließlich nicht verboten. Sie wird nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn sich jemand belästigt fühlt.
Ich fühle mich nicht belästigt. Ich ekele mich nur. Ein bisschen.
Na gut. Ein bisschen viel.
Deswegen mache ich aber keinen Aufstand. Auch das widerliche Abschwitzen in meiner Gegenwart, die teilweise unangenehmen Gerüche, die ihr — nicht ihr allein, aber ob mangelnder Bekleidung halt
etwas eher — absondert, nehme ich hin. Würgend. Flach atmend. Mein Mantra summend: Der nächste Winter kommt bestimmt.
Macht euch frei, wenn ihr das unbedingt wollt und euch nichts peinlich ist.
Aber nur, damit das klar ist:
Sollte ich jemals einen von euch Freigeistern dabei erwischen, sich über eine in der Öffentlichkeit stillende Mutter aufzuregen, dann lauft euch warm.
Lauft schnell. Und weit.
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